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kein Pflichtverteidiger

Pflichtverteidiger oder besser ein „eigener“ Strafverteidiger?

Pflichtverteidiger – oder besser kein Pflichtverteidiger?

Regelmäßig erhalten Beschuldigte in Strafverfahren ein gerichtliches Anschreiben mit der Aufforderung, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Mit diesem Brief in der Hand fragen sich viele Menschen unmittelbar: Lasse ich mein Verfahren von einem Pflichtverteidiger begleiten oder beauftrage ich einen „eigenen" Strafverteidiger und Rechtsanwalt?

Die vorliegende Seite stellt Informationen zu den wichtigsten Fragen rund um das Thema Pflichtverteidigung bereit.

Wir möchten Betroffene hier frühzeitig darüber informieren, was es überhaupt bedeutet, einen staatlichen Pflichtanwalt zu haben, zu welchen Konditionen dieser arbeitet, wie Pflichtverteidigungen in der Praxis vergeben werden und wie man als Anwalt überhaupt Pflichtverteidiger wird. Zudem möchten wir über regelmäßig auftretende Probleme informieren, die in Bezug auf Pflichtverteidigung auftreten und von denen uns Betroffene in der Vergangenheit häufig berichtet haben.

Der Erfahrung nach ist es zumeist so, dass sich Betroffene bis zum Erhalt des Schreibens mit der Aufforderung zur Benennung eines Pflichtverteidigers mit diesem Thema noch nie ausführlich beschäftigt haben. Unerfahren und verständlicherweise blauäugig suchen sich Beschuldigte dann regelmäßig einfach einen Pflichtverteidiger aus - ohne zu wissen, welche Probleme hiermit überhaupt verbunden sein können.

Hier können sie sich zunächst im Detail und verständlich über die Pflichtverteidigung informieren, bevor sie die Frage „Pflichtverteidiger oder nicht?“ bewusst und informiert für sich beantworten können.

Schneller Kontakt bei Fragen zum Thema „Pflichtverteidiger":

info@ra-odebralski.de

0151-11632082

 

Anfragen werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit beantwortet, auch außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten und an Wochenenden.

 

kein Pflichtverteidiger, Pflichtverteidiger

I. Pflichtverteidiger: Ist das negative Image überhaupt berechtigt?

Pflichtverteidiger haben in der Bevölkerung – teilweise auch im eigenen Kollegenkreis – ein oftmals eher schlechtes Image.

Kritik an dem Institut der Pflichtverteidigung und seiner Ausgestaltung wird mittlerweile sowohl auf Fachveranstaltungen als auch online offen geäußert; die Beispiele hierfür sind zahlreich:

"Warum man seine Zukunft nicht in die Hände eines Pflichtverteidigers legen sollte"

"Nachteile im System der Pflichtverteidigung"

"Nachteile bei der Arbeit mit einem Pflichtverteidiger"

"Pflichtverteidiger - ein Anwalt 2. Klasse?"

"Strafverteidiger vs. Pflichtverteidiger"

"Die 13 Vor- und Nachteile des Pflichtverteidigers"

"Burhoff: Vergütung des Pflichtverteidigers zu gering für die Tätigkeiten"

"RA Martin Voß: der Weg zum Pflichtverteidiger"

Ihnen haftet häufig der Ruf an, sich beim Gericht anzubiedern, zu Pflichtverteidigungen nur aufgrund von gefälligem Verhalten zu kommen, Seilschaften mit den Richtern einzugehen und Mandanten nicht engagiert zu verteidigen. Unabhängig davon, ob dieses Klischee nun zu Teilen berechtigt ist oder nicht, besteht es offenbar bei weiten Teilen der Bevölkerung. Ein Pflichtverteidiger tue nicht mehr als seine Pflicht, eine „richtige“ und engagierte Vertretung vor Gericht sei nicht zu erwarten – so die landläufige Meinung. Allein die Begrifflichkeit Pflichtverteidiger ist negativ belegt und wird nach landläufigen Verständnis häufig gleichgesetzt mit einem „Billiganwalt" oder einem „Anwalt für Arme".

Doch ist dieses schlechte Image von Pflichtverteidigern tatsächlich berechtigt?

Bevor wir uns nun im Folgenden mit den Nachteilen der Pflichtverteidigung beschäftigen, Punkte aufzeigen, die dagegen sprechen sich einen Pflichtverteidiger zuweisen zu lassen und Probleme im Zusammenhang mit Pflichtverteidigung darstellen, soll zunächst aber grundsätzlich eins vorangestellt werden: Das Institut der Pflichtverteidigung ist grundsätzlich richtig und notwendig. Es ist ein Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und garantiert mittellosen, bedürftigen Betroffenen im Bedarfsfall einen Rechtsbeistand. Der deutsche Staat lässt mittellose Betroffene in problematischen Situationen nicht allein, nicht in sozialen, familiären oder medizinischen Notfällen – und eben auch nicht in Bezug auf die Strafverteidigung und rechtlichen Beistand.

Doch wie kann trotz aller Notwendigkeit es dazu kommen, dass Pflichtverteidigern ein derart schlechtes Image anhaftet?

 

1. Der lokale Pflichtverteidiger: Wirklich unabhängig?

Einer der Gründe, warum Pflichtverteidiger häufig weder im Kollegenkreis noch bei Teilen der Bevölkerung keinen guten Ruf haben, ist sicherlich der Umstand, dass diejenigen Richter, welche die Pflichtverteidigung vergeben einerseits und die Pflichtverteidiger andererseits gerne unter sich bleiben. In der Praxis gibt es bei der Vergabe von Pflichtverteidiger kaum objektive Kriterien.

Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der letzten Reform darum bemüht, Standards zu vereinheitlichen, indem beispielsweise Fachanwälte für Strafrecht zum Pflichtverteidiger gewählt werden sollen. In der Praxis wird dies jedoch nicht immer praktisch umgesetzt.

Innerhalb dieser Kriterien bleiben Richter und die ihnen bekannten Pflichtverteidiger dann häufig gerne „unter sich“ – welcher Anwalt hier zum Pflichtverteidiger erkoren wird, ist der staatlichen Kontrolle entzogen.

So stellen die Gerichtsbezirke regelmäßig fest, dass von den zuständigen Amtsrichtern eigentlich immer ein bestimmter Zirkel von Anwälten zum Pflichtverteidiger ernannt wird. Oft handelt es sich hierbei um verdiente Anwälte aus dem Gerichtsbezirk, die auffällig häufig die Nähe von Amtsrichtern suchen, sowohl in der Freizeit als auch außerhalb von Prozessen. Ob hierdurch eine neutrale, angemessene und hinreichend distanzierte Interessenvertretung von Beschuldigten überhaupt noch möglich ist, kann durchaus kritisch hinterfragt werden. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass der Gesetzgeber allgemeine Standards zwar eingeführt hat, innerhalb dieser weiten Grenzen die Auswahl der jeweiligen Pflichtverteidiger jedoch zumeist auf die gleichen Personen fällt.

Ob es letztlich für die Beschuldigten von Vorteil ist, von einem Anwalt vertreten zu werden, der selbst wiederum mit dem Gericht aufgrund der regelmäßigen Zuteilung der Pflichtverteidigung zu seinen Gunsten in einem faktisch wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, darf zumindest bezweifelt werden. In „klassischen Arbeitsverhältnissen" führt wirtschaftliche Abhängigkeit jedenfalls regelmäßig zu einer Weisungsgebundenheit.

 

2. Vergütung als Pflichtverteidiger unangemessen gering

Der Hintergrund für die teils – von Betroffenen uns gegenüber jedenfalls so regelmäßig berichtete – fehlende Motivation der Pflichtverteidiger vor Gericht ist vielleicht auch die relativ geringe Bezahlung:

  • Grundgebühr: 176 €
  • Verfahrensgebühr: 145 €
  • Vertretung im Termin: 242 €

Grundgebühr bedeutet hier, dass der Pflichtverteidiger – unabhängig vom Umfang der Akten und der Vorbereitungsdauer – einen pauschalen Betrag von etwa 180 Euro für die Einarbeitung in das gesamte Verfahren erhält. Stellt man sich beispielsweise ein kompliziertes Verfahren mit einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation und zahlreichen umfangreichen Vernehmungen nebst Gutachten vor, so ergibt sich eine nicht unerhebliche Zeit für die Vorbereitung eines solchen Verfahrens. Teilt man die Pauschalgebühr für die Vorbereitung dann durch den vom Gesetzgeber bereitgestellten Betrag, ergibt sich für einen Pflichtverteidiger teilweise ein Stundenlohn von weniger als 20 Euro.

Dass ein spezialisierter und erfahrener Rechtsanwalt für einen solchen Betrag nicht arbeiten möchte, sollte auf der Hand liegen. Ergo bleibt es dann häufig bei einer „Schmalspur-Vorbereitung“ des Verfahrens, um bei einer solchen Bezahlung nicht zu viele Stunden und Euro zu „verschwenden“, um es einmal überspitzt auszudrücken. Der Leidtragende ist schließlich häufig der Mandant, der sich mit einem schlecht oder kaum vorbereiteten Pflichtverteidiger arrangieren muss.

 

3. Eigene Interessen vs. Interessen der Mandanten

Wird einem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bereits im Ermittlungsverfahren an die Seite gestellt, entsteht hiermit unserer Meinung nach ein dem Mandat innewohnender Interessenskonflikt.

Grundsätzlich sollte jeder Strafverteidiger im Interesse seines Mandanten darum bemüht sein, ein Ermittlungsverfahren diskret, schnell und natürlich insbesondere ohne öffentliche Hauptverhandlung zum Abschluss zu bringen. In unserer Kanzlei ist es beispielsweise so, dass wir bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche Schutzschriften abgeben, gegenüber den Staatsanwaltschaften den Sachverhalt aufbereiten und möglichst früh die außergerichtliche Einstellung des Verfahrens beantragen.

Doch kann ein Pflichtverteidiger wirklich das gleiche Interesse an einer schnellen und außergerichtlichen Einigung haben?

Ein Pflichtverteidiger bekommt, wenn man die Grundgebühr sowie die Verfahrensgebühr addiert, etwa 300 Euro für die außergerichtliche Betreuung und Begleitung eines gegebenenfalls sehr anspruchsvollen Verfahrens, beispielsweise ein Strafverfahren mit umfangreichen Akten oder einer komplexen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Nun mag es gegebenenfalls in Einzelfällen Kolleginnen und Kollegen geben, die sich für diese knapp 300 Euro tatsächlich ein ganzes Wochenende und mehr Zeit nehmen, Akten auswerten, Details von Aussagen ins Verhältnis setzen und sehr umfangreiche Schutzschriften anfertigen, um das Verfahren in die Einstellung zu zwingen. Dabei handelt sich unserer Erfahrung nach allerdings eher um Einzelfälle, welche die alltägliche Praxis bei der Pflichtverteidigung kaum widerspiegeln.

Vielmehr ist es aus Sicht des Pflichtverteidigers gut und „finanziell sinnvoll“, wenn die Sache letztlich doch vor Gericht landet, schließlich wird mit Termingebühren wesentlich mehr Geld verdient. Wird ein Verfahren erst einmal vorzeitig außergerichtlich eingestellt, ist die Sache vom Tisch – und damit auch das Einnahmepotenzial weiterer Anwaltsgebühren.

Nun soll es hier nicht so dargestellt werden, als würden alle Pflichtverteidiger prinzipiell entgegen den Interessen ihrer eigenen Mandanten arbeiten. Es geht eher darum aufzuzeigen, dass dieser problematische Konflikt vorhanden ist und engagierte Pflichtverteidiger letztlich auch gegen ihre eigenen finanziellen Interessen handeln.

Dieser Konflikt lässt sich in der Praxis leider häufig beobachten.

Übernehmen wir beispielsweise Verfahren eines Pflichtverteidigers für die Hauptverhandlung, finden sich hier nur in den seltensten Fällen hochwertige Schutzschriften, welche von einem großen Engagement zeugen. Häufig finden sich stattdessen halbherzige und kurze Stellungnahmen, in denen zumindest formal die Einstellung des Verfahrens beantragt wird. Wirklich überzeugend ist das, auch für das Gericht und die Staatsanwaltschaft, aber eigentlich nie.

 

4. Die Zuteilung der Pflichtverteidigung in der Praxis

Im Falle einer Inhaftierung berichteten Betroffene regelmäßig davon, dass die Auswahl in Bezug auf die Person des Pflichtverteidigers faktisch nicht gegeben war.

Ein Beispiel: Nach der Aussage eines Betroffenen wurde dieser von der Polizei abgeholt und sodann wegen einer schweren Sexualstraftat in Untersuchungshaft genommen. Anschließend wartete bereits ein durch das Gericht herbeigerufener Anwalt, welcher ihm als sein Pflichtverteidiger präsentiert wurde. Unter dem Druck der Situation und Anwesenheit sämtlicher Beteiligter wurde er gefragt, ob er diesen bis dato völlig unbekannten Anwalt als Pflichtverteidiger wünsche.

Der Betroffene, welcher mit der ungewohnten und stressigen Situation völlig überfordert war, bejahte dies. Später erfuhr er, dass der Pflichtverteidiger zwar schwerpunktmäßig Strafverfahren bearbeitete, ausweislich seiner Internetpräsenz aber nicht im Sexualstrafrecht tätig war und in diesem Bereich auch über keinerlei Erfahrung verfügte. Mutmaßlich hatte das Gericht ihm einen Anwalt beziehungsweise Pflichtverteidiger ausgesucht, der für das Verfahren und den Angeklagten vollkommen ungeeignet war.

Es zeigt sich immer deutlicher, dass es aus der Perspektive einer beschuldigten Person eine Vielzahl von Gründen gibt, sich im Falle eines Strafverfahrens nicht in die Hände eines Pflichtverteidigers zu begeben, unter anderem aus den bereits genannten Gründen.

Dies gilt umso mehr, je kritischer der Vorwurf ist, welcher den Beschuldigten gemacht wird. Handelt es sich beispielsweise um den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Vergewaltigung mit einer komplexen Aussage-gegen-Aussage-Konstellation, ist es für einen staatlichen Pflichtanwalt bei einer Vergütung in Höhe von pauschal etwa 250 Euro für die gesamte Verfahrensvorbereitung nahezu unmöglich, ein solches Verfahren angemessen vorzubereiten.

 

5. „Der Richter und sein Pflichtverteidiger“

Wenn eine angeklagte Person die Frist, einen Pflichtverteidiger zu benennen, ungenutzt verstreichen lässt, wird dieser letztlich vom für das Verfahren zuständigen Richter bestimmt. Etwas überspitzt dargestellt ist das in etwa vergleichbar mit einer Fußballnationalmannschaft, die sich für das alles entscheidende WM-Finale das gegnerische Team selbst aussuchen darf. Dass die Wahl dabei eher auf San Marino als auf Brasilien oder Argentinien fallen dürfte, sollte niemanden wirklich überraschen.

Unserer Erfahrung nach sind Richter in Verhandlungen oftmals fest davon überzeugt, den besten und geeignetsten Pflichtverteidiger in solchen Fällen bestimmt zu haben – unabhängig davon, ob die jeweiligen Anwälte in den entsprechenden Rechtsgebieten überhaupt spezialisiert und erfahren sind oder nicht.

Wird man als gewählter Anwalt letztlich in einem solchen Verfahren involviert, stößt man bei den zuständigen Richtern in der Regel auf Unverständnis, stellt man doch seine beziehungsweise ihre Wahl des Pflichtverteidigers hierdurch sinngemäß infrage. Wir haben derartige Konstellationen schon häufig erlebt: In der Regel läuft es auf eine Stellungnahme des Richters dahingehend hinaus, dass der Pflichtverteidiger bislang doch alles richtig gemacht habe.

Dies ist natürlich wenig überraschend, wenn die Richter ihre bestimmten Pflichtverteidiger und damit auch ihr eigenes Urteilsvermögen in Schutz nehmen. Ein Pflichtverteidiger sei grundsätzlich eine sehr gute Wahl und ebenso geeignet wie ein vom Angeklagten recherchierter und gewählter Strafverteidiger.

In solchen Situationen stelle ich den jeweiligen Richtern dann gerne die folgende Frage:

Wenn Sie als Richter von einem strafrechtlichen Vorwurf betroffen wären und Ihre gesamte Karriere, Reputation und Zukunft vom Ausgang dieses Verfahrens abhängen würde, wäre ihre erste Wahl dann immer noch ein Pflichtverteidiger?

Meistens erhalte ich in solchen Fällen eine dezent belustigte und ausweichende Antwort, welche aber die Haltung durchschimmern lässt, dass sich die jeweiligen Richterinnen und Richter, wären sie selbst beschuldigt, eben keinen Pflichtverteidiger nehmen würden.

Warum die Angeklagten sich damit aber zufriedengeben sollen und für diese scheinbar andere Maßstäbe bei der Anwaltswahl gelten sollen als für die Richter, kann an diesem Punkt des Gespräches allerdings niemand rational erklären. Man kann allerdings festhalten, dass Richter in der Regel zwar keinen eigenen Pflichtverteidiger akzeptieren würden, diese für beschuldigte Personen, welche sich keinen eigenen Strafverteidiger leisten können oder wollen, mehr als ausreichen.

 

Pflichtverteidiger Essen

II. Aufforderung zur Benennung eines Pflichtverteidigers

Viele Leute sollten die folgende Aussage aus diversen Filmen und Serien kennen, vor allem aus dem US-amerikanischen Raum:

„Sie haben das Recht auf einen Anwalt, sofern Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen ein staatlicher Anwalt gestellt“.

Das Prinzip, das dahintersteckt, gilt in den USA ebenso wie in Deutschland: Beschuldigte Personen haben jederzeit die Möglichkeit, sich einen eigenen kompetenten und erfahrenen Anwalt zu suchen und diesen mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen. Sofern man sich keinen eigenen Anwalt leisten kann (oder möchte), wird Beschuldigten bei bestimmten Vorwürfen ein staatlicher Anwalt an die Seite gestellt.

Doch leider erhalten Beschuldigte von deutschen Gerichten keine derartige Belehrung.

Beispielsweise wird in einer Aufforderung zur Benennung eines Pflichtverteidigers aus dem Bezirk des Landgerichts Essen mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft die Beiordnung eines Pflichtanwalts beantragt hat. Man wird dann aufgefordert, einen solchen zu benennen, andernfalls würde das Gericht die Entscheidung treffen.

Hierbei fällt auf, dass den Betroffenen die Möglichkeit der Wahloption für (oder eben gegen) einen Pflichtverteidiger scheinbar bewusst verschwiegen wird. Darüber hinaus besteht wie bereits erwähnt natürlich die Option, einen eigenen Anwalt mit der Vertretung seiner Interessen zu beauftragen. Warum die Beschuldigten aber hinsichtlich dieser Wahlmöglichkeit in die Irre geführt werden, ist kaum nachvollziehbar.

 

III. Wer „benötigt“ einen Pflichtverteidiger?

Die Frage nach der „Notwendigkeit“ eines Pflichtverteidigers ist durchaus zweideutig.

Es stellt sich die Frage danach, unter welchen Voraussetzungen Betroffene den gesetzlichen Anspruch auf Beiordnung eines staatlichen Pflichtverteidigers haben. Darüber hinaus ist aber natürlich die Frage zu stellen, ob man auch im Falle der Notwendigkeit eines Pflichtverteidigers einen solchen auch in Anspruch nimmt oder ob es nicht sinnvoller wäre, sich einen eigenen Anwalt zu suchen und zu beauftragen.

1. Wann habe ich Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Zum Thema gesetzlicher Anspruch auf Mitwirkung eines Pflichtverteidigers ist in der juristischen Fachliteratur und auch in zahlreichen Online-Foren bereits viel geschrieben worden. Den Gesetzestext zu § 140 StPO Notwendige Verteidigung finden Sie übrigens unter hier.

Bundesweit legen zahlreiche Anwälte ausführlich die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung auf ihren Internetseiten oder Anwaltsportalen dar und erläutern hierzu einzelne rechtliche Aspekte oftmals äußerst detailliert. Wenig überraschend bieten hier viele Anwälte im gleichen Atemzug auch ihre Dienste als Pflichtverteidiger an.

2. Pflichtverteidiger – und sonst keine Alternativen?

Wie zuvor erläutert wird durch oftmals wenig eindeutige und eher missverständliche Formulierungen in den gerichtlichen Anschreiben bei Beschuldigten häufig der Eindruck erweckt, als habe man lediglich die Wahl zwischen einem Pflichtverteidiger oder eben gar keinem Anwalt. Diese Formulierung ist unseres Erachtens bewusst irreführend. Korrekt wäre hier die bereits beschriebene und in diversen Variationen aus Filmen bekannte Formulierung: „Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen. Wenn sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird ihnen einer gestellt.“

Eine vergleichbare Regelung existiert im deutschen Strafrecht bedauerlicherweise nicht. Hier erfolgt die Beiordnung zum Pflichtverteidiger unabhängig von den finanziellen Mitteln einer beschuldigten Person. Selbst bei einem beschuldigten Milliardär müssten die deutschen Steuerzahler also theoretisch in Vorkasse gehen, um den Pflichtverteidiger der betroffenen Person zu finanzieren.

Zusammengefasst existiert immer eine Alternative zu einem Pflichtverteidiger:

Man hat zu jeder Zeit nicht nur die Wahl zwischen einem solchen oder dem vollständigen Verzicht auf einen Anwalt, sondern eben immer die Option, seinen eigenen Anwälte zu recherchieren und zu bestimmen, welche dann in der Folge die eigenen Interessen vor Gericht vertreten.

 

besser kein Pflichtverteidiger

IV. Was genau ist ein „Pflichtverteidiger“?

Um den Begriff und das Prinzip des Pflichtverteidigers besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, sich die beiden Bestandteile dieses Wortes genauer anzusehen.

Der Begriff Verteidiger steht für eine Person, die eine andere Person oder Gruppierung vor etwas oder vor jemandem schützt, also verteidigt. Gemeint ist hierbei im juristischen Kontext eine juristische Sanktion, im Strafrecht eine Verurteilung zu einer Strafe. Ein Verteidiger versucht in der Regel, entweder die Verurteilung einer beschuldigten Person generell oder zumindest eine Verurteilung zu einer unangemessen hohen Strafe zu verhindern.

Pflicht wiederum bedeutet eine Notwendigkeit, eben eine Verpflichtung, welche man sich nicht aus freien Stücken aussuchen kann. Häufig wird die Pflicht, etwas zu tun, tendenziell eher als negativ, lästig und unangenehm empfunden – Wahl und Pflicht werden nicht selten als widersprüchliche Gegenpole dargestellt.

Man kann sich nun natürlich die Frage stellen, ob ein Anwalt, welcher der Begrifflichkeit wegen nicht aufgrund einer persönlich motivierten Berufung oder einer privaten Beauftragung, sondern aufgrund einer staatlichen Verpflichtung arbeiten muss, wirklich die beste Wahl für die eigene Verteidigung darstellt.

 

V. Sinn und Intention von Kein-Pflichtverteidiger.de

Als eine der sicherlich größten und renommiertesten Strafverteidigerkanzleien bundesweit vertreten wir jährlich mehr als 800 Beschuldigte in Strafverfahren. Unser Einstieg in derartige Verfahren ist unterschiedlich; in der Regel beauftragen uns Mandanten zu Beginn eines Verfahrens mit der rechtlichen Vertretung ihrer Interessen.

Natürlich übernehmen wir allerdings auch Verfahren, die bereits laufen oder sich sogar in einer späteren Phase befinden, etwa wenn bereits Gerichtstermine stattgefunden haben. Auch dann beauftragen uns beschuldigte Personen damit, ihre Interessen in einem Berufungsverfahren, in der Revision oder auch bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens zu vertreten.

In zahlreichen von uns begleiteten Verfahren haben wir die folgenden Aussagen beschuldigter Personen in diversen Variationen sehr oft gehört:

  • „Ich möchte keinen vom Gericht eingesetzten Pflichtverteidiger mehr.“
  • „Mein Anwalt hat vor Gericht keine Fragen gestellt und sich generell überhaupt nicht für mich engagiert.“
  • „Ich hatte gehofft, dass sich mein Pflichtverteidiger zumindest etwas für mich einsetzen würde.“
  • „Ich möchte nun lieber einen richtigen und motivierten Anwalt nehmen.“

Allein schon die quantitative Häufigkeit dieser und inhaltlich vergleichbarer Aussagen über die Zufriedenheit mit der Arbeit einiger Pflichtverteidiger hat uns letztlich dazu bewogen, diese Webseite und das Projekt Besser kein Pflichtverteidiger ins Leben zu rufen.

Kein-Pflichtverteidiger.de soll allerdings ausdrücklich keine grundsätzliche Kritik oder ein Infragestellen des Instituts der Pflichtverteidigung im deutschen Rechtssystem darstellen. Es soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass Pflichtanwälte per se unmotiviert und wenig engagiert wären oder grundsätzlich mit den Gerichten „unter einer Decke“ stecken würden, nur um Beschuldigten das Leben so unangenehm wie nur möglich zu machen.

Wir möchten stattdessen auf die unserer Erfahrung nach problematischen Aspekte der Vergabekriterien und ähnlicher Elemente hinweisen, welche außergewöhnlich häufig zur Unzufriedenheit und Enttäuschung jener beschuldigten Personen führen, die sich letztlich vor Gericht nicht angemessen vertreten fühlen.

Die Erfahrungen aus zahlreichen Gerichtsverfahren zeigen durchaus, dass es gerade bei komplexeren und anspruchsvolleren Verfahren von Vorteil sein kann, einen eigenen Anwalt mit der Strafverteidigung und der Vertretung der eigenen Interessen zu beauftragen. Letztlich liegt die Entscheidung darüber aber natürlich bei jedem einzelnen Individuum.

Auf dieser Seite können sie sich umfassend über die möglichen Vor- und Nachteile einer Pflichtverteidigung informieren, um anschließend mit neuen Erfahrungen eine auf bestem Wissen und Gewissen basierende Entscheidung treffen zu können – ob nun für oder gegen einen Pflichtverteidiger.

 

besser kein Pflichtverteidiger

VI. Pflichtverteidiger? - Ihr Verfahren, Ihre Wahl

Nun soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, Pflichtanwälte seien grundsätzlich alle faul, unmotiviert und würden mit dem Gericht sprichwörtlich unter einer Decke stecken und gemeinsame Sache zum Nachteil der machen. So ist es auch nicht.

Dennoch bringen Pflichtverteidigungen sehr regelmäßig für alle Beteiligten Probleme mit sich, die sich durch die Mandatierung eines eigenen Anwaltes vermeiden lassen. Insofern ist es unserer Meinung nach immer besser, einen eigenen Anwalt mit der Vertretung seiner Interessen zu beauftragen, je anspruchsvoller das Verfahren ist, desto notwendiger ist ein eigener Anwalt.

Im Rahmen der vorstehenden Ausführungen haben wir nun versucht ein umfassendes Bild davon zu geben, was ein Pflichtverteidiger ist, was ein Pflichtverteidiger tut und welche Gründe es geben kann, sich gegen einen Pflichtverteidiger und für einen eigenen Anwalt zu entscheiden.

Letztlich muss jeder Beschuldigte in einem Strafverfahren diese Wahl natürlich selbst treffen. Wichtig ist nur, dass Betroffene umfassend über Ihre Rechte und Möglichkeiten informiert sind und sich ganz bewusst die Frage stellen können:

Pflichtverteidiger oder kein Pflichtverteidiger?